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Einsatz "Gefahrguteinsatz" in Seckenhausen (03./04.08.2005)

 

Die Kreiszeitung schrieb am 05.08.2005:

Großeinsatz nach Giftalarm

Drei Verletzte / Anwohner meldeten "beißenden Gestank" / Firma: "Alles im Griff"

Der Einsatz war nur im Schutzanzug möglich. Drei Feuerwehrleute erlitten Verätzungen. Fotos (2): Gumz

SECKENHAUSEN (as)Ein Giftalarm am Mittwochabend gegen 21.25 Uhr löste den Großeinsatz der Freiwilligen Feuerwehren aus. Ursache waren eine defekte Anlage im Lager des Milchwerkes Seckenhausen und der Austritt von Kühlmittel. Nachbarn sprachen von "beißendem Ammoniak-Gestank".

Das war schon um 18.30 Uhr, wie ein Anwohner der Falkenstraße gestern betonte. Gegen 19.30 Uhr habe er sich bei der Polizei in Leeste gemeldet, war dort aber "beschwichtigt worden". Sinngemäß habe man gesagt, es habe sich sonst noch niemand beschwert, man wolle das aber im Auge behalten.

Erst gegen 21.30 Uhr begann dann der Großeinsatz (wir berichteten bereits gestern). Rund 100 Einsatzkräfte der Feuerwehren, zehn DRK-Helfer und einige Polizeibeamte waren am Ort des Geschehens.

Aber auch dann, kritisierte die Nachbarschaft, seien die Anwohner weder richtig gewarnt, noch sei wirkungsvoll abgesperrt worden.

Das sei eigentlich auch nicht erforderlich gewesen, begründete die Polizei gestern. Feuerwehrsprecher Hartmut Specht und der Vertreter der Nordmilch, Harald Schomacker, bestätigten das. Für die Umgebung habe zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Gefahr bestanden, hieß es übereinstimmend - obwohl die Feuerwehr drei Verletzte zu beklagen hat. "Aber", sagte Hartmut Specht, "unsere Messungen haben für die Umgebung nur leicht erhöhte Werte ergeben". Selbst für die Hauptabzugsrichtung habe man nicht von "bedenklich" sprechen können. Trotzdem sei alles abgesperrt worden.

Gefährlich sei es in unmittelbarer Nähe des Lecks gewesen. Die Feuerwehr habe nur in Schutzanzügen arbeiten können. Dennoch mussten zwei Männer in ein Bremer Krankenhaus, von denen einer gestern noch dort war, zur Beobachtung. Der dritte Mann wurde ambulant behandelt.

Im Einsatz waren die Ortswehren aus Seckenhausen, Brinkum und Groß Mackenstedt sowie die Gefahrgut-staffel des Landkreises aus Syke. Die Wehren Barrien und Sudweyhe halfen mit ihren Messtrupps, und sicherheitshalber hatte man die Kräfte der Feuerwehrtechnischen Zentralen aus Barrien und Wehrbleck gerufen. Der Einsatz dauerte bis drei Uhr.

"Unsere Sicherungskette und der Notfallplan haben funktioniert", versicherte Firmensprecher Schomacker. Das Leck gehe auf Materialermüdung zurück und sei vom Werkschutz beim Routinegang entdeckt worden. Die Kühlanlage ist inzwischen repariert und vom TÜV abgenommen. Die "Nordmilch" nutzt noch das Lager des eigentlich aufgegebenen Molkereibetriebes.

[05.08.2005]

 

 

Der Weser Kurier berichtete am 05.08.2005:

Gift-Alarm bei Nordmilch
Leck in der Kälteanlage des Kühlhauses rief in der Nacht zu Donnerstag 100 Feuerwehr-Kräfte auf den Plan

Von unserem Redakteur
Michael Rabba

STUHR-SECKENHAUSEN. Ein Leck im Kühlsystem eines noch genutzten Lagers der Nordmilch e.G. in Seckenhausen hat in der Nacht zu Donnerstag einen Feuerwehr-Großeinsatz ausgelöst. Giftiges Ammoniak war ausgetreten. Eine Gefährdung für die Bevölkerung habe aber zu keiner Zeit bestanden, betonte die Feuerwehr. Vorsorglich riegelte die Polizei das Werksgelände aber mehrere Stunden lang weiträumig ab. Die B 322 war ebenso in beiden Richtungen gesperrt wie die Diepholzer Straße. Produziert wird in dem Nordmilch-Werk bereits seit Monaten nicht mehr. Das Kühlhaus aber nutze das Unternehmen noch, erläuterte Nordmilch-Sprecher Hartmut Schomacker. Das Leck sei in der Kälteanlage in einem Nebenraum des Kühlhauses entstanden. Dabei trat das in den Kühlleitungen zirkulierende flüssige Ammoniakgemisch aus und wurde an der Luft gasförmig. Ein Mitarbeiter des Nordmilch-Werkschutzes bemerkte das Leck, um 21.25 Uhr löste die Feuerwehrleitzentrale in Diepholz Alarm aus: Gefahrstoffaustritt. Neben den Stuhrer Wehren Seckenhausen, Brinkum und Groß Mackenstedt rückten die Mess-Staffeln der Wehren Barrien und Sudweyhe sowie die Gefahrgutstaffel aus Syke an. Mitarbeiter der Feuerwehrtechnischen Zentralen Barrien und Wehrbleck ergänzten das Aufgebot mit Spezialgerät zur Gefahrgutbekämpfung. Vor Ort waren auch die DRK-Bereitschaft Brinkum und der leitende Kreis-Notarzt. Insgesamt waren 100 Feuerwehrkräfte unter Leitung von Kreisbrandmeister Dieter Scharf bis 3.30 Uhr im Einsatz. Drei Kameraden verletzten sich leicht und mussten im Krankenhaus behandelt werden, so Kreisfeuerwehrsprecher Hartmut Specht. Unter Anleitung eines Nordmilch-Mitarbeiters riegelten Kräfte der Feuerwehr in Chemieschutzanzügen die Kühlleitungen ab und stopften so das Leck. Der sich in der Kühlhalle gesammelte Ammoniak-Nebel wurde mit Überdruck-Belüftungsgeräten kontrolliert durch geöffnete Türen auf der Nordseite der Halle geblasen und dort mit einer Wasserwand aus der Luft "gewaschen", erläuterte Specht. Das Ammoniak-Wasser-Gemisch fließe in das hauseigene Kanalisationssystem und werde von Pumpenwagen entsorgt. Die Untere Wasserbehörde prüfte gestern aber, ob Ammoniak ins Grundwasser oder öffentliche Kanalnetz gelangt ist. Wenn der Schaden sich in Grenzen halte, werde er repariert, so Nordmilch-Sprecher Schomacker auf Nachfrage. "Wir wollen das Werk ja funktionstüchtig verkaufen."

 

Feuerwehrleute hatten alles im Griff
Gefahrentrupp-Mitglieder wechselten sich auf der Suche nach dem Leck in der Leitung ab

Von unserer Redakteurin
Christina Denker

STUHR-SECKENHAUSEN. Das Szenario wirkte schon von weitem bedrohlich: Blaulicht zuckte durch den Nachthimmel, das Nordmilch-Gelände war in gleißendes Licht getaucht, es wimmelte nur so von Feuerwehrleuten und anderen Rettungskräften. Die gesperrte Kreuzung sorgte für Unmut unter den Motorisierten. "Ich muss nach Bookholzberg", hoffte ein Pkw-Fahrer doch noch auf ein Durchkommen. Vergebens: "Hier können Sie nicht weiter", forderte der Polizei vor der Straßenabsperrung den Fahrer freundlich, aber bestimmt zur Umkehr auf, während er fast ununterbrochen mit seinem Funkgerät Kontakt zu den Kollegen hielt. Wenige Minuten später war das Betreten des Geländes nach Abschätzung der Gefahr auch für Pressevertreter möglich. Trotzdem bestand nur wenig Chance, mit den Frauen und Männern von der Wehr ins Gespräch zu kommen - die Arbeit geht vor. Und davon gab’s reichlich für die Feuerwehrleute, die sich truppweise in das stockfinstere Kühllager begaben, um dem Leck in der Leitung auf die Spur zu kommen. Angst habe er nicht, erklärte ein Mitglied der Sudweyher Feuerwehr, der in dem leuchtend-roten Schutzdress auf seinen Einsatz wartete. "Aber Respekt", fügte er hinzu und zog noch einmal die Atemschutzmaske zurecht, während er seine Kollegen beobachtete, die aus der Dunkelheit wieder ins Licht traten. Trotz des spektakulären Szenarios wirkten die Einsatzkräfte relativ ruhig. Zumindest jene, die nicht nach der undichten Stelle fahnden mussten. Der Frage, ob die Gas-Wasser-Fontäne nun gefährlich sei oder nicht, entgegnete einer der roten Gestalten: "Wenn’s so wäre, würde ich hier nicht stehen". Der Feuerwehrmann schien zu diesem Zeitpunkt bereits zu wissen, dass es sich bei dem austretenden Gas um Ammoniak handelte, dem offenbar mit einer Wasserwand beizukommen ist. Hartmut Specht, Pressesprecher der Kreisfeuerwehr, wollte zu diesem Zeitpunkt noch keine offiziellen Angaben machen und erst alle Untersuchungsergebnisse abwarten, um sicher zu gehen.